Hier schlägt das Herz der Speicherstadt. Türmchen, Zinnen + Giebel, wohin das Auge blickt: Die Speicherstadt ist immer noch das malerischste Viertel Hamburgs, auch wenn hinter den dicken Backsteinmauern längst kaum mehr Säcke lagern.
Wer dagegen noch die ursprüngliche Atmosphäre der alten Lagerhäuser erleben möchte, sollte das Speicherstadtmuseum besuchen. Hier kann man erfahren, wie die Quartiersleute - frühere Bezeichnung für Lagerhalter - hochwertige Güter wie Kaffee, Kakao, Tee oder Tabak damals gelagert, bemustert und veredelt hatten. Viele dieser Waren und Geräte darf man in die Hand nehmen - was das Museum auch für Kinder attraktiv macht (3.+ 4.Foto / Copyright SHMH, Elke Schneider ). Die Termine für die beliebten Familienführungen "Speicherstadt - Die Entdeckertour für Kinder" sind deren Homepage zu entnehmen. Weitere Themen sind die Baugeschichte der Speicherstadt und der internationale Kaffee- und Teehandel.
Das kann man alles selbst bei einem Museumsbesuch entdecken. Oder sich der öffentlichen Führung „Speicherstadt – Tradition und Wandel“ anschließen, die ganzjährig jeden Sonntag um 11.00h und zusätzlich von April bis Oktober auch jeden Samstag um 15.00h beginnt. Treffpunkt ist vor dem Speicherstadtmuseum am neuen Standort Sandtorkai 36. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Für Kinder von 6 - 12 Jahren in Begleitung Erwachsener gibt es außerdem spannende Entdeckertouren (4.Foto): Näheres dazu sowie zu aktuellen Führungen und weiteren Veranstaltungen, z.B. Kaffee- und Teeverkostungen mit Experten, finden sich unter www.speicherstadtmuseum.de.
Nachtveranstaltungen u.a. mit spannenden Krimi-Vorlesungen sind sehr gut besucht. So hatte die Museumsleitung 2018 Monika Buttler geladen, die aus ihrem Krimi „Die schwarze Witwe von Wien“ vorlas (9.Foto / Copyright Ilona Voss).
Unter der vorgenannten Homepage können Voranmeldung angenommen sowie die aktuellen Termine + die Themen erfragt werden. Dort erfährt der Besucher ebenfalls die Geschichte dieses Museums, die 1988 durch die Förderung der Firma Eichholtz & Cons. am ersten Standort unter St. Annen 2 begann. Erst 1995 wurde das Museum eine Außenstelle des Museums der Arbeit.
Legende zum 5.Foto:
Die festlich geschmückte Brooksbrücke anlässlich der Schlusssteinsetzung durch Kaiser Wilhelm II. am 29. Oktober 1888. Der Kaiser schreitet gerade mit dem Senat durch das Brückentor (Archiv Speicherstadtmuseum).
Beispielhaft ist der nachstehende Text von Dr. Ralf Lange / Speicherstadtmuseum:
Der Kaiser kommt! – Die Schlusssteinsetzung an der Brooksbrücke 1888 Es war der 29. Oktober 1888. Ganz Hamburg stand Kopf. Der Kaiser kommt! Punkt 12 Uhr mittags hielt der Sonderzug an der Lombardsbrücke, wo die Stadt ein Festzelt aufgebaut hatte, um den hohen Gast zu begrüßen. Eine Dreiviertelstunde später ging es mit der Barkasse zum Jungfernstieg und von dort mit der Kutsche durch die festlich geschmückte Innenstadt zur Brooksbrücke in der Speicherstadt. Das Backsteingebäude der Patriotischen Gesellschaft war besonders üppig dekoriert, und über dem Eingang prangte der markige Spruch „Allzeit treu zu Kaiser und Reich.“ Um 13.15h traf der Kaiser in der Speicherstadt ein. Das Jahr 1888 war für Hamburg ein besonderes Datum. Am 15. Oktober wurde die Stadt in das deutsche Zollgebiet eingegliedert. Bismarck hatte den Senat zu diesem Schritt gedrängt. Eine Zollgrenze mitten in Deutschland, das passte nach der Reichsgründung 1871 nicht mehr in das Bild. Andererseits wollten die Hamburger Kaufleute aber auch nicht das Vorrecht verlieren, Waren zollfrei einführen und lagern zu können. Der Kompromiss bestand darin, dass der Hamburger Hafen in einen Freihafen umgewandelt wurde: als zollfreie Enklave mitten in der Stadt. Nun stellte sich allerdings das Problem, dass die meisten Speicher in der Innenstadt lagen und somit im zukünftigen Zollinland. Wer nach dem Zollanschluss noch zollfrei lagern wollte, musste daher seinen Betrieb in den Freihafen verlagern. Nach kontroversen Diskussionen entschied sich der Senat schließlich, die Brookinseln im Süden der Altstadt, auf denen damals 16.000 Menschen lebten, komplett abzureißen und dort die neuen Freihafenspeicher zu konzentrieren. Die Speicherstadt entstand.
Zwei Wochen später reiste der Kaiser nach Hamburg, um den Zollanschluss mit einem feierlichen Akt an der Brooksbrücke – der sogenannten Schlusssteinsetzung – symbolisch zu besiegeln. Dieser Schlussstein war tatsächlich eine Gedenktafel, die in den westlichen der beiden Brückentürme eingefügt wurde. Hierfür wurde dem Kaiser zunächst eine Maurerkelle (6.Foto) gereicht, mit der er etwas Mörtel auf die Tafel gab, die anschließend professionell vermauert wurde. Dann gab man ihm einen Hammer, mit dem er drei Schläge auf der Tafel ausführte. Dieses Ritual wiederholte sich noch unzählige Male:
- Zunächst erhielt Reichkanzler Bismarck den Hammer,
- anschließend Helmuth Karl Bernhard von Moltke (1800-1891), der Feldherr aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71,
- der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Carl Friedrich Petersen ,
- die Vertreter des Bundesrates,
- der Reichstagspräsident,
- der Präsident der Bürgerschaft,
- der königlich-preußische Gesandte …
Nach einer halben Stunde war dieses Ritual beendet, und die Festgäste stimmten noch die patriotische Hymne „Heil Dir im Siegerkranz“ an.
Die Maurerkelle und der Polierhammer, die dem Kaiser gereicht wurden, sind erhalten. Das waren selbstverständlich keine profanen Werkzeuge aus Stahl und Holz, sondern wertvolle Silberarbeiten mit Elfenbeingriffen. Sie blieben im Besitz der Stadt Hamburg und befinden sich heute im Ratssilberschatz im Hamburger Rathaus.
Legende zum 6.Foto:
Wer diese beiden geschichtsträchtigen Werkzeuge sehen möchte, sollte das neugestaltete Speicherstadtmuseum besuchen, wo sie sich seit August als Leihgabe befinden. Dort erhält man auch noch weitere Informationen über den Zollanschluss, den Freihafen, den Bau der Speicherstadt und die Arbeit der Quartiersleute, wie sich die Lagerfirmen im Hafen noch heute traditionsbewusst nannten.
Der ständige Wandel in der Speicherstadt - gleich ob Umbau oder Umnutzung - machte es erforderlich, dass auch das Speicherstadtmuseum seinen ursprünglichen Standort am St. Annenufer im Speicher R - Zweiter Boden - aufgeben mußte. Dort wurden nach umfangreichen Umbaumaßnahmen im 1.Boden sowie im begehbaren Kellergewölbe - Lager von großen Rotspon-Weinfässern - der Genuss Speicher Hamburg eröffnet. Inzwischen befindet sich dort das Kaffeemuseum.
Legende zum 7.+ 8.Foto:
Nähere Ausführungen dazu finden sich unter den news: Schuten und Ewerführer. Nicht uninteressant ist auch das Thema Hochwasser!