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19.07.2020

postkoloniale Forschung

Da steht er nun rum, der Eiserne Kanzler - im frisch hergerichteten Alten Elbpark unweit der St.Pauli-Landungsbrücken und ist weithin sichtbar - und brökelt vor sich hin. Das sollte bereits im Frühjahr 2020 behoben werden durch zugesagte Bundesmittel in Höhe von damals angenommenen rund 6.500.000€. Doch die Sanierung verzögert sich. Zum einen werden wegen der starken Auslastung von Bauunternehmen die Sanierungskosten deutlich steigen.

Zum anderen wegen zusätzlicher Gefahren: Bismarck neigt sich mitsamt Sockel zur Seite und könnte (von allein) umfallen. Das wäre sicherlich im Sinne der Protestierenden über Statuen von Sklavenhändlern und anderen kolonialen Denkmälern.

Hamburg hat dazu Erfahrung. Denn bereits im November 1968 bedrängten Studierende die Statuen zweier Kolonialfürsten auf dem Unigelände. Hermann von Wissmann als Reichskommissar und Gouverneur der Kolonie Deutsch-Ostafrika (dem heutigen Tansania) sowie Hans Dominik, Schutztruppenmajor in Kamerun kamen damals nicht zu Fall, weil die Staatsmacht umgehend einschritt. Die von den Studierenden angestoßene Debatte und nachfolgende Handlungen über Hamburgs Kolonialerbe fand beim SPD-geführten Senat ebenso wenig Gehör wie bei der UNI Hamburg.

 

 

Aufgrund des Polizeieinsatzes am 25.05.20 in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota USA, bei dem der 46-jährige Afroamerikaner George Perry Floyd durch eine gewaltsame Festnahme getötet wurde, wird weltweit gegen Rassismus demonstriert.

In Hamburg trugen die Demonstranten Plakate mit Texten wie "Black Lives Matter" oder "I can't breathe" - die letzten Worte des Afroamerikaners George Floyd, der bei seiner Festname durch Polizeigewalt  ums Leben gekommen war. 

 

Infolgedessen wird nun auch die Sanierung des Bismarck-Denkmals hinterfragt. Diese allein sollte und kann es nicht sein. Und Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) scheint das ähnlich zu sehen. Denn er will mit einem künstlerischen Wettbewerb eine Gegenposition zum umstrittenen Bismarck-Denkmal schaffen. Immerhin schon ein Regierungsmitglied mit Weitsicht.

 

Randnotizen:

  • Bismarck war als Reichskanzler politisch verantwortlich für die Gründung des Deutschen Kolonialreiches. So rief er die Berliner Konferenz ins Leben, auf der die kolonialen Staatsgrenzen Afrikas vertraglich festgeschrieben wurden.
  • Die Stifter des Denkmals waren hanseatische Kaufleute wie Adolph Woermann, die durch den deutschen Kolonialismus profitierten.
  • Das Dominik-Denkmal wurde von französischen Truppen beschlagnahmt und wurde 1935 von den Nationalsozialisten zurückgeholt und 1935 auf dem Campus aufgestellt.
  • Die Wissmann-Statue landete als britische Kriegstrophäe im Londoner Imperial War Museum, 1922 handelte das Auswärtige Amt den Rücktransport in die Weimarer Republik aus. Damals hinterfragte der Staat nicht die mit dem Koloniegeschehen verbundenen Greueltaten sondern war stolz auf die damit verbundenen wirtschaftlichen Erfolge.

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