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21.01.2015

Davidwache wurde 100

Die Davidwache auf St. Pauli ist eine Attraktion für unzählige Touristen. Wer an der Reeperbahn aber gegen Gesetze verstößt, lernt den historischen Backsteinbau ganz anders kennen: In einer finsteren Zelle im Keller.

Bernhard Sprengel, dpa berichtete unter dem Titel: Schöne Fassade und finsterer Keller:
Auf der Reeperbahn nachts um halb eins - herrscht in der Davidwache Hochbetrieb. Im berüchtigten Rotlichtviertel auf St. Pauli gehören Verbrechen zum Alltag: Besonders von Donnerstagabend bis Sonntagmorgen brauchen die Beamten von Deutschlands wohl berühmtestem Polizeikommissariat Verstärkung durch Kollegen aus anderen Revieren. Das Gebäude der Davidwache wurde am 10.12.14 100 Jahre alt.

Die Geschichte der Polizeipräsenz auf St. Pauli reicht noch weiter zurück. Schon im 19. Jahrhundert sah der Hamburger Senat die Notwendigkeit, das Amüsierviertel vor den Toren der Stadt besser zu kontrollieren. Heute ist das Revier mit nur 0,7km² Fläche das kleinste in Deutschland. Doch die Einsatzbelastung ist hoch, erklärt der stellvertretende Leiter der Wache. Zu den 14.000 Einwohnern kommen mehr als 80.000 Besucher hinzu - pro Abend. Fast alle wollen feiern oder sich amüsieren.

Der Begriff  Davidwache kam schon zur Zeit des Vorvorgängerbaus in den 1840er Jahren auf, der auch an der Davidstraße stand. Offiziell darf sich das Polizeikommissariat 15 aber erst seit 1970 so nennen. Das heutige Gebäude mit seinen Keramikverzierungen wurde 1913/14 von dem Hamburger Baumeister Fritz Schumacher errichtet, auf den auch andere markante Bauten der Hansestadt zurückgehen.

Bekannt wurde die Wache vor allem durch ihre Präsenz in Film und Fernsehen. Nach Hans Albers war es besonders der Filmemacher Jürgen Roland, der mit "Polizeirevier Davidswache" - der Titel in nicht offizieller Schreibweise mit Binde-s - und "Stahlnetz" den typisch hamburgischen Backsteinbau an der Ecke Spielbudenplatz/Davidstraße in den 1960er Jahren ins Rampenlicht rückte.

Inzwischen steht die Wache längst unter Denkmalschutz, zumindest von außen. Auch innen lassen die grünen Wandfliesen im Eingang, die breiten Treppenhäuser und die dicken Wände das Alter erkennen. Nicht selten verbringen Besucher mehr Zeit in der Wache als ihnen lieb ist - in einer der Zellen im Keller. Sie scheinen die Zeit vor 100 Jahren widerzuspiegeln. Die kaum vier Quadratmeter großen Räume sind in grau-grüner Ölfarbe gehalten, fensterlos und nur mit einer Holzpritsche ausgestattet. Wer hinter der schweren Stahltür mit Sehschlitz sitzt, wird womöglich nur durch die Klima- und die Rufanlage daran erinnert, dass er keine Zeitreise ins Jahr 1914 angetreten hat.

Die sieben Zellen reichen am Wochenende oft nicht aus, aber länger als ein paar Stunden oder mal eine Nacht muss auch niemand dort verbringen. Diese Erfahrung soll einst auch Paul McCartney gemacht haben. Nach Angaben von Biografen sollen Paul und der damalige Drummer Pete Best im Bambi-Kino, wo die Beatles in einem Hinterraum wohnten, ein an der Wand hängendes Kondom angezündet haben. Der Besitzer des Kinos, mit dem die Liverpooler Jungs über Kreuz lagen, zeigte sie wegen Brandstiftung an. Wenige Tage danach wurden Paul und Pete an der Reeperbahn festgenommen. Nach einer Nacht in der Zelle Anfang Dezember 1960 wurden die beiden in ihre Heimat abgeschoben.Später durften die Beatles nach Hamburg zurückkehren, immerhin hatten sie für hiesige Verhältnisse wenig verbrochen.

Andere zeigten sich auf St. Pauli weniger zimperlich. Im Rotlichtmilieu häuften sich vor allem in den 1970er und 1980er Jahren Mord und Totschlag. Die Zeiten der offenen Kriminalität sind aber vorbei, zumal rund 120 Beamten der Davidwache die Augen offen halten.

Die Davidwache hat ihre Fans - im Internet werden sogar T-Shirts und Kaffeebecher mit dem Bild der Fassade verkauft -, aber auch ihre Gegner. Vor einem Jahr mobilisierten gleich drei Themen die linke Szene auf St. Pauli.

  • Die Bewohner der "Esso-Häuser" mussten wegen Einsturzgefahr ihre Wohnungen verlassen,
  • die Besetzer des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora befürchteten ihre Räumung,
  • die Unterstützer der rund 80 Lampedusa-Flüchtlinge, die in der St.Pauli Kirche kampierten, prangerten die Politik des Senats an.

Quelle: General-Anzeiger-Bonn - online

 


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