Das Bergedorfer Rathaus (10.Foto rückseitig) wurde 1927 nach Plänen des Stadtbaurats Wilhelm Krüger und des Architekten Georg Lindner fertiggestellt. Dazu wurde die 1899 vom Architekten Johann Grotjahn an dieser Stelle errichtete Villa des Kaufmann Hermann Messtorff angekauft, überbaut und erweitert. Dadurch blieben die einzigartigen alten Büroräume mit antiker Waschecke, Holzvertäfelung, Parkettfußboden sowie der Spiegelsaal und das östliche Treppenhaus erhalten (3., 4.+ 6.Foto). Heute sind es die Amtszimmer der Bezirksamtsleitung (1.+ 2.Foto). Ähnlich nahezu einzigartige und repräsentative Innenraumensemble findet sich u.a. in Räumen am Schwanenwyk sowie im Literaturhaus in Hamburg-Hohenfelde.
Der ergänzende Rathaus-Neubau wurde mit einem rund 35m hohen Turm mit großartiger Aussicht auf dem angrenzenden Park ausgestattet und zeigt in den wesentlichen Elementen den Art-déco-Stil.
Der in der Erdgeschoß-Treppenhalle sichtbare Schlußstein trägt das Datum „10. 3. 1927“ verbunden mit dem Ende der Bauarbeiten. Mehrere der von beteiligten Städten und Gemeinden bestellten Glaselemente-Schenkungen wurden am 12. März 1927, dem Tag der Einweihung öffentlich:
- Der Lübecker Senat hatte ein Werk des Lübecker Malers Alfred Mahlau (1894-1967) überreicht, das die charakteristische Stadtsilhouette der Hansestadt wiedergibt. Dieses Bild, die „Goldene Tafel“ hängt über dem Kamin im Bürgermeisterzimmer (1.Foto). Es erinnert daran, dass Lübeck zuvor Miteigentümer von Bergedorf war.
- Die Hamburgische Bürgerschaft übergab ein Gemälde „Das Bergedorfer Schloss“ vom Hamburger Künstler Professor Arthur Illies (1870-1952).
- Die Stadt Geesthacht schenkte ein Buntglasfenster für die Ratslaube.
Der Kunstverglaser John Reinert Nickelsen (1865-1950) und Inhaber der „Nordische Kunst-Anstalt für Glas-Decoration John Nickelsen in Hamburg“ war für deren Anfertigungen verantwortlich:
- So befindet sich im Erdgeschoß des Rathauses (8.Foto) - unweit des Schlusssteins - ein Glasfenster des Künstlers (9.Foto). Es ist ein Geschenk der Vierländer Nachbargemeinden Neuengamme, Altengamme, Curslak, Ost Kroul und Kirchwarder. Mittig ist das Zentrum von Bergedorf um 1650 abgebildet.
- Im ersten Obergeschoß zeigt ein weiteres Wandbild aus Glaselementen vermutlich Szenen aus der Bergedorfer Eisenfabrik in Sande (7.Foto). Dort steht nun eine Bronze von Robert Müller-Warnke: Eisengießer (1983) im heutigen Wohngebiet und weist darauf hin: Eisen giessen – Maschinen bauen – hart arbeiten – um Leben zu können. Das 1875 noch eigenständige und unmittelbar angrenzendes Holsteiner Nachbardorf ist benannt nach ehemaligen Dünen eines Meeres aus vorgeschichtlicher Zeit. Heute ist es ein Teil von Lohbrügge. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass einer der Mitarbeiter des Eisenwerks der Bergedorfer Bürger Heinrich Dräger (1898-1986) war. Er machte sich selbständig und gründete in Lübeck das heute weltweit bekannte Drägerwerk.
- Der große Sitzungssaal für die Bezirksversammlung des Bezirksamtes Bergedorf erstrahlt wortwörtlich durch die drei hohen Buntglasfenster (5.Foto) mit Glaselementen des Künstlers. Im Kopfbereich finden sich die Aussagen: Wete vell - wenig sag - antworte nich - up alle Fraghe - alt vor gut ydermann - west u. wat ander kann. Man muß schon genau hinschauen, um im mittleren Bereich von links nach rechts gesehen: Lastenträger + Schreiberling - Kogge (+ Fisch) - Fabrik - Eisenwerker - Bauer mit Vieh (+ Hase) - Feldarbeiter erkennen zu können. Im unteren Bereich befindet sich der Hinweis: 1927 gestiftet von der Stadt Cuxhaven.
- In der Ratslaube im Untergeschoß befinden sich weitere Glaseinheiten seit 1895 von Bergedorfer Grundeigentümern, die Bezug auf niedersächsische Nachbarstädte bis hin nach Cuxhaven nehmen.
Der angrenzendem Rathauspark – vormals auch als Grünfläche für die „Gartenbau-Ausstellung Bergedorf 1925“ genutzt - beherbergt auch eine Skulpturenlandschaft u.a. mit
- zwei Sphinxen aus Stein und einem Findling in Gestalt eines Walrosses (Künstler für beide Werke unbekannt)
- eine Metamorphose aus Carrara-Marmor von Norbert Jäger (2003?) mit drei weiteren figürlich bearbeiteten Granitfindlingen
- Steinfindling von Frank Raendchen: Venedigstein (2001)
- Stein-Trio aus Basalt von Roland Berger: Familie (Zeitraum unbekannt)
- Beton-Torso von Marco Baré: Große Königin (Zeitraum unbekannt)
- Diorit-Stein - innen bearbeitet - auf schmalem Sockel von Emanuela Camacci: on the other side (Zeitraum unbekannt)
- eine Stahlinstallation in Form eines Nestes auf Betonstele von Naotaka Naganuma: Windstille (1990?)
- Stahlgebilde von Joachim Röderer: Chromosom (2000?)
- Eisendraht-Installation von Werner Bitzigeio: Zen 16, Zen 17 (Zeitraum unbekannt)
sowie eine Freilichtbühne. Weitere Parkanlagen befinden sich in der Nähe: Haus im Park mit Theater der Körber-Stiftung sowie der Schloßpark mit Wassergraben. Der hat einen Zufluss zur Bille.
Zeitleich zur Einweihung des Rathauses ließ der damalige Bürgermeister Wilhelm Wiesner unter anderem das Amtsgerichtsgebäude in der Ernst-Mantius-Straße, die schräg gegenüberliegende Badeanstalt und die Luisenschule bauen. Die Geschichte Bergedorfs wird ausführlich dargestellt über das Bergedorfer Schloß.
Übrigens erhielt Ende 2007 das Rathaus einen zusätzlichen Neubau für das Zentrum für Wirtschaftsförderung, Bauen und Umwelt incl. Sitz der Handwerkskammer - Zweigstelle Bergedorf.